Wie man sein Leben verkauft

Der Kurzreporter
von Der Kurzreporter März 22, 2008 13:12

Ein besonderes Kennzeichen unserer westlichen (?) Kultur ist der unbedingte Glaube an eine zweite Chance.

Wer etwas ausgefressen hat, sollte – jedenfalls, wenn er ausreichend bereut – das Recht auf einen Neuanfang haben. Das gilt natürlich erst recht für Einen, der nichts ausgefressen hat – also sowohl für die sündige Maria Magdalena als auch für den im Prinzip unschuldigen Oliver Twist.

Der Australier Ian Usher fällt in keine der beiden Kategorien; er hat einfach genug von seinem Leben. Und darum will er es im Sommer bei ebay zum Verkauf anbieten: Sein Haus, seinen Job, Freunde, Hund, Auto persönliche Gegenstände, … alles. Am 29. Juni 2008, nachdem sein Leben als Komplettpaket eine Woche lang zur Auktion stand, will Ian Usher sein Haus verlassen mit nichts als den Kleidern, die er trägt, und den erstbesten Flieger in eine Gegend nehmen, die ihm gefällt.

Warum tut er das? Auf seiner Seite – www.alife4sale.com – versichert Usher, dass er durchaus nicht suizidgefährdet ist. Seine persönliche Tragödie ist eine gescheiterte Ehe; vor rund einem Jahr verließ ihn seine Frau nach fünf Jahren Ehe und zwölf Jahren Beziehung. Und Ian hält es in dem Haus, das als gemeinsames vorgesehen war, einfach nicht mehr aus. Das gleiche gilt für alles andere – für Gegenstände (Whirlpool), Job (Teppichgeschäft), Freunde (einige) etc. Er möchte raus. Freilich, er räumt ein, dass einige seiner Freunde schlichtweg von einer Midlife-Crisis sprechen …

Weniger interessant als das Ende der Auktion und Ian Ushers persönliche Geschichte ist die Mentalität, die daraus spricht, und die uns ebenfalls nicht unbekannt sein dürfte: Wir glauben, dass es im Fall der Fälle möglich ist, alles aufzugeben und irgendwo etwas ganz Anderes, ganz Neues zu beginnen. Beliebt ist die Variation dieses Themas im Kino bei todkranken Protagonisten; Til Schweiger hat’s in „Knockin‘ on Heavens Door“ vorgemacht, Morgan Freeman und Jack Nicholson versuchen sich gerade daran in „The Bucket List“.

Früher hieß es, man hat auszuhalten, man muss bleiben – Hemingway fasste diese Ethik in dem schlichten Satz „Man darf verlieren, aber man darf nicht aufgeben“ zusammen. Davon ist in unserer postmodernen Welt der Billigflieger und des globalisierten Arbeitsmarktes nicht mehr viel übrig. Wenn’s hier nicht klappt – probiere ich es eben anderswo.

Was Ian Ushers Exfrau davon hält, ist nicht bekannt.

Der Kurzreporter
von Der Kurzreporter März 22, 2008 13:12