Brexit und die Folgen für Anleger

Der Kurzreporter
von Der Kurzreporter Dezember 19, 2016 15:30

Bremen – Die Zukunft hätte kaum düsterer aussehen können: Kursstürze an den Börsen, taumelnde Wirtschaft, hohe Arbeitslosigkeit, Währungsturbulenzen. Das alles erwarteten Experten zumindest für den Fall, dass sich die Briten für den Austritt aus der EU entscheiden sollten.

Und wie sieht es nun drei Monate nach dem Ja zum Austritt wirklich aus? «Kurzfristige Turbulenzen gab es durchaus, wenn wir beispielsweise zurück auf die Entwicklung des Pfunds blicken», sagt Annabel Oelmann, Vorstand der
Verbraucherzentrale Bremen. «Inzwischen hat sich die Lage aber wieder beruhigt.» Ähnlich sieht das Thomas Buckard, Vorstand der Michael Pintarelli Finanzdienstleistungen: «Die Börsen zeigen kein oder kaum Interesse am Brexit.» Auch das britische Pfund hat sich «schnell wieder stabilisiert».

In der Tat sehen einige wirtschaftliche Frühindikatoren für Großbritannien gar nicht so schlecht aus: So sank die Arbeitslosigkeit nach dem Brexit-Votum auf ein Rekordtief. Stimmungsindikatoren zeigten zuletzt auf Wachstum in der Industrie, aber auch im wichtigen Dienstleistungssektor. Und auch der Einzelhandel zeigte sich stabil. War die Aufregung also umsonst? «Noch ist es zu früh, diese Frage abschließend zu beantworten», findet Vermögensverwalter Daniel Hardt von Gauly, Dittrich, van de Weyer Asset Management. «Die Brexit-Verhandlungen haben auf EU-Ebene noch nicht begonnen, und die Konsequenzen sind somit kaum abschätzbar.» Auch Oelmann sagt: «Wir können leider nicht in die Glaskugel schauen. Es kann jederzeit wieder zu Turbulenzen an den Börsen kommen, nicht nur wegen des Brexits.»

Anleger sollten sich jetzt aber auf keinen Fall aus der Ruhe bringen lassen. Denn selbst wenn Großbritannien doch noch in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sollte, werden sich die Folgen für die Weltwirtschaft aller Voraussicht nach in Grenzen halten.

«Der Anteil Großbritanniens und Nordirlands an der Weltwirtschaft liegt laut Internationalem Währungsfonds gerade mal bei 3,7 Prozent», sagt Vermögensverwalter Hardt. «Darüber hinaus ist ihre Gewichtung im MSCI World All Countries Index nur bei knapp 6 Prozent.» Wer einen weltweit anlegenden Indexfonds im Depot hat, muss also wegen des Brexit keine schlimmen Einbrüche befürchten.

Das kann bei Fonds mit europäischem Anlageschwerpunkt allerdings anders aussehen. Nach einer Erhebung der Stiftung Warentest in Berlin machten selbst gute europäische Aktienfonds rund um das EU-Austritts­Referendum am 23. Juni Verluste. Allerdings schafften es auch 10 von 22 Fonds, im Juni besser abzuschneiden als der Index MSCI Europe. Der machte nach Angaben der Warentester vom 31. Mai bis zum 30. Juni ein Minus von 4,2 Prozent.

Auch bei offenen Immobilienfonds gab es Turbulenzen. In Großbritannien wurden mehrere Fonds geschlossen. Dass es nun auch in Deutschland eine ähnliche Entwicklung geben wird, ist nach Ansicht der Stiftung Warentest aber unwahrscheinlich. Denn der Anteil britischer Immobilien am Fondsvermögen ist bei den hierzulande aufgelegten Produkten vergleichsweise niedrig – mehr als 25 Prozent beträgt er den Angaben zufolge nicht. Ein Grund zu verkaufen ist das für langfristig orientierte Anleger aus Sicht der Experten nicht.

«Sie können sich gegen größere Marktschwankungen durchaus wappnen», sagt Karin Baur von der
Stiftung Warentest. «Dazu sollten Sie Ihr Geld über verschiedene Anlagemöglichkeiten verteilen.» Das sieht auch Vermögensverwalter Karl-Heinz Stroscher aus Villingen-Schwenningen so. Auf diese Weise werden Anleger durch einzelne Ereignisse wie den Brexit nicht aus der Bahn geworfen. «Bei solchen Ereignissen gibt es immer Gewinner und Verlierer», sagt der Gesellschafter der Alpha Finanz OHG. Ein breit aufgestelltes, weltweites Aktiendepot hilft dabei, die Risiken klein zu halten. Zur Geldanlage gehören seiner Ansicht nach aber auch Renten oder Rohstoffe.

Eines sollten Kleinanleger vor dem Hintergrund des Brexits auf jeden Fall nicht machen: «Versuchen Sie nicht, auf eine bestimmte Entwicklung zu wetten», rät «Finanztest»-Redakteurin Baur. Denn wie sich Märkte entwickeln, lasse sich nicht vorhersehen. «In eine bestimmte Richtung zu spekulieren, ist immer gefährlich.»

Fotocredits: Frank Rumpenhorst
(dpa/tmn)

Der Kurzreporter
von Der Kurzreporter Dezember 19, 2016 15:30